Anfang Eines Albtraums

Geschichten über Spieler- und Nichtspieler-Charaktere des VSWR-Universums
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Gast

Beitrag von Gast » Donnerstag 20. März 2003, 23:49

Kurze Anmerkung vorweg: ich hatte diese Story bereits im alten Forum gepostet, da aber demnächst die Fortsetzung folgen wird, poste ich sie hier zum besseren Verständnis noch einmal.

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„Ziel angepeilt, bereit zum Feuern in T minus drei Minuten...“
„Alle Werte im grünen Bereich, Ionenstabilisatoren arbeiten normal...“
„Testobjekt hat endgültige Feuerposition erreicht...“
„Frequenzabstimmungen normal, Deflektorschilde des Zieles auf Maximum...“

In der kleinen Kommandozentrale, die auf einem etwa fünfzig Meter hohen Turm über dem Testgelände thronte, herrschte rege Aktivität. Die Luft war stickig, roch nach Schweiß, Aufregung, Spannung auf das, was gleich passieren würde. Unteroffiziere und Mannschaften hockten angespannt an Terminals oder liefen auf dem begrenzten Raum hin und her, tauschten Daten aus und sahen durch die dicken, gepanzerten Fenster auf das Gelände hinab. Eine dicke Schneeschicht überlagerte die Ebene, die ohne die kleinste Unebenheit eine einzige weiße Fläche bildete und am Horizont mit dem bewölkten Himmel verschmolz.

„T minus zwei Minuten...“
„Generatoren bei einhundert Prozent Leistung...“

Captain Vreek hatte auf dem engen Kommandosessel, der leicht erhöht in der Mitte der Zentrale stand, Platz genommen und warf immer wieder besorgte Blicke auf den kleinen Überwachungsschirm, der in die Armlehne eingelassen war. Er nahm die dunkelgrüne Mütze seiner Offiziersuniform ab und kratzte sich am Kopf, der für den hageren Körper des Armyoffiziers irgendwie zu groß wirkte.
„Das gefällt mir nicht, Petty Officer...“ wandte er sich an den Raumflottenunteroffizier, der mit auf dem Rücken verschränkten Armen aus dem Fenster starrte und sich die letzten dreißig Minuten nicht bewegt hatte.
„Das gefällt mir ganz und gar nicht. Ist dieses Ding wirklich ausgereift?“
Der Petty Officer drehte sich zu dem Offizier der Bodentruppen um, und Vreek hatte das Gefühl, als würde der Flottenunteroffizier mit seinem verbliebenen Auge – das Linke war offensichtlich erblindet – direkt durch ihn hindurch auf die Rückenlehne des Kommandosessels blicken.
„Nein, Sir.“ war die schlichte Antwort.
Der Captain runzelte die Stirn. Er mochte keine Flottenhengste, das war allgemein bekannt. Aber Flottenhengste, die zudem noch Teil der Forschungsabteilung waren, waren ihm suspekt.
„Was soll das heißen, NEIN? Meine Männer sitzen in diesem verdammten Ding, und Sie erzählen mir, es ist nicht ausgereift? Was, wenn es einfach zusammenbricht?“

„T minus eine Minute...“
„Ionenkonverter im gelben Bereich, ich versuche zu kompensieren...“

„Das wird sich zeigen, Sir.“ Nichts in Tonfall oder Mimik des Petty Officers zeugte davon, dass er der Angelegenheit auch nur einen Hauch von Interesse entgegenbrachte. Sein Gesicht und seine Stimme waren völlig ruhig und ausdruckslos.
Vreek stand auf und stapfte die wenigen Stufen herunter, um sich neben den Petty Officer zu stellen. Sein Blick fiel auf das Testobjekt, das sich grau und kantig vor dem weißen Hintergrund abzeichnete und selbst aus dieser Entfernung noch zu erkennen war. Etwa hundert Meter davon entfernt standen einige Gebäude und ein Deflektorschildgenerator. Der kleine Komplex diente als Ziel für den Probelauf des neuen Gerätes.
„Das gefällt mir nicht...“ wiederholte Vreek.

„T minus dreißig Sekunden...“
„Sir...die Stabilisatoren überlasten! Die Maschine kann die Energiemengen nicht mehr eindämmen!“

Der Captain wirbelte herum.
„WAS?“
Der Army-Unteroffizier, der die Meldung gemacht hatte, hämmerte wie besessen auf die Tasten seiner Konsole ein, Schweiß lief unter seiner Mütze hervor und rann ihm in die Augen, deren Blick starr auf die rasenden Zahlenkolonnen auf dem Bildschirm geheftet waren.
„Die gesamte Maschine überhitzt, Captain! Wenn wir nicht sofort einlenken, wird das Schutzfeld des Generators kollabieren!“

„T minus zwanzig Sekunden...“

„Abbrechen! Brechen Sie den Test ab!“ rief Vreek und stürmte wieder in die Mitte des Kommandoraums. „Sie sollen abbrechen!“
„Befehl wiederrufen“ verkündete der Petty Officer ruhig. Es klang nicht wie ein Befehl, eher wie eine Feststellung. „Der Test wird fortgesetzt.“
Vreeks Mund klappte auf.
Dann klappte er wieder zu.
Schließlich holte er einmal tief Luft und baute sich wieder vor dem Unteroffizier auf.
„Mister Juross! Wie können Sie es wagen mir Befehle erteilen zu wollen! Mir wurde die Leitung dieser Operation anvertraut, keinem kleinen Unteroffizier wie Ihnen!“
„Ich erteile keine Befehle, Sir, ich führe sie aus. Besser gesagt, ich sorge dafür, dass sie ausgeführt werden. Lieutenant Commander Canticor hat mir persönlich die Überwachung dieser Testreihe überantwortet. Die Befehle kommen von ihm, nicht von mir.“

„T minus zehn Sekunden...“

„Meine besten Männer sitzen in dieser Maschine! Ich werde sie nicht einfach sterben lassen!“

„neun...“

„Der Tod eines jeden dieser Männer könnte den Tod von tausend Rebellen bedeuten, Sir. Ihr Tod in dem Prototypen nützt mehr als auf dem Schlachtfeld.“

„acht...“

„Ihr Tod nützt gar nichts, wenn die Maschine nicht einmal funktioniert, verdammt!“

„sieben...“

„Doch, Sir. Wenn das Experiment fortgeführt wird, werden wir den Fehler analysieren und korrigieren können.“

„sechs...“

„Meine Soldaten waren jederzeit bereit, für den Imperator ihr Leben zu geben, aber nicht für einen verdammten Fehler!“

„fünf Sekunden...“

„Sie gleiten ins Absurde ab, Captain. Der Test wird fortgeführt. Wenn sie damit Probleme haben, bin ich bereit, den Lieutenant Commander darüber zu informieren.“

„vier...“

„Dann sagen Sie es mir: Wofür sterben meine Leute, Juross? Wofür werden sie da unten ...verdampfen?“

„drei...“

„Für den Fortschritt, Sir.“

„zwei... eins...“

Die Explosion war auf diese Entfernung nicht zu hören. Nur ein purpurroter Lichtblitz zeugte von den freigesetzten Energien und tauchte die Kommandozentrale für einen Sekundenbruchteil in blutiges Licht.
Niemand bewegte sich.
Stille war eingekehrt.
Vreek blickte aus dem Fenster. Wo eben noch der Prototyp gestanden hatte, breitete sich jetzt ein graubrauner Krater aus. Der Schnee war noch in einem weiten Umkreis geschmolzen, das Gras darunter verdorrt.

„Eine Implosion im vorderen Konverter aufgrund der Überlastung der primären Energieleitungen“ stellte Juross fest. Er deaktivierte sein Pad und steckte es ein.
„Das hatte ich erwartet. Bitte entschuldigen Sie mich nun, Captain...der Lieutenant Commander erwartet meinen Bericht.“
Der Petty Officer salutierte, machte auf dem Absatz kehrt und betrat den Turbolift.
Vreek starrte aus dem Fenster.
„Für den Fortschritt...“ murmelte er.
„Für den Fortschritt...“
Er knirschte mit den Zähnen.

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