Come Morning, Come Lucidity

Geschichten über Spieler- und Nichtspieler-Charaktere des VSWR-Universums
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Anjira Den'Edhel
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Beitrag von Anjira Den'Edhel » Montag 15. November 2004, 22:12

Und wieder war es erreicht: Das Ende eines Arbeitstages. Sie hatte das Gefühl, als wären ihr die Stunden abermals wie Wasser durch die Hände geronnen. Seit ihrem Eintritt in die Streitkräfte der VFI überraschte sie sich immer öfter bei dem Versuch, die Zeit festzuhalten.

Nur einen Moment. Einen kurzen Moment zum Innehalten, Nachdenken, Erinnern.

Zeit jedoch schien ihr das höchste Gut des Imperiums zu sein. Geld? Im Überfluss. Macht? Steigend. Kriegsmaschinerie? In ständiger Produktion.

Sie wusste nicht, wann sie sich das letzte Mal zurückgelehnt hatte, ruhig und entspannt. Selbst wenn sie nicht im Dienst war, konnten die dumpfen Alarmsirenen des Sternenzerstörers jeden Augenblick losheulen.

Die ständige Belastung, mit der sie sich seither konfrontiert sah, war ungewöhnlich. Ein Kind des Friedens war sie zwar noch nie gewesen, trotzdem war ihr die Schmuggelarbeit auf Nar Shaddaa leichter gefallen. Als ob Teil eines Krieges zu sein sie älter gemacht hätte.

Sie neigte den Kopf ein wenig und betrachtete das Weinglas in ihrer Hand. Es gab Leute, die behaupteten, Alkohol hielte jung. Vielleicht sagten das aber auch nur jene, die den Krieg selbst ohne Alkohol überhaupt nicht verkraften konnten. Nicht unwahrscheinlich, dass es mir irgendwann auch so gehen wird, überlegte sie.

Das leichte Drehen ihres Handgelenks ließ den Wein gemächlich im Glas kreisen. Andererseits war sie in ihrem Leben noch nie so fasziniert gewesen. Es war mehr als nur interessant, zu sehen und zu hören, wie viele Menschen sich von einer Ideologie fesseln ließen, die so leicht zu widerlegen war. Ordnung, hatte ihr ein Vorgesetzter vor einer Weile gesagt, ist unser Ziel.

Seither fragte sie sich, ob er tatsächlich daran glaubte. Diese hochstilisierte Idee des Kampfes zwischen Ordnung und Chaos mochte ja vielleicht Zivilisten einleuchtend erscheinen, eventuell auch noch normalen Soldaten. Aber jeder, dem der Einblick gegönnt war, und jeder, der Gelegenheit hatte, diesen Kampf einmal von außen zu beobachten, musste sehen, dass es hier nicht um Ordnung ging. Das Thema dieses ewig scheinenden Krieges war Macht. Macht und deren Zerstörung.

Ein Imperium, das allmächtig sein wollte, und ein Gegner, der die Allmacht endgültig abzuschaffen suchte. Verständlicherweise, wenn man sich in die Gedanken riefe, dass sich bisher noch keine Militärdiktatur auf anderes als das Faustrecht gestützt hatte.

Und obwohl die Republik zu Rebellionszeiten noch selbst der Aggressor war, während das Imperium in die Defensive gedrängt wurde, änderte das nichts daran, dass - rein moralisch - das Recht auf Seiten der Republik lag. Aber auch diese Situation gestaltete sich nun anders. Tatsächlich hatte das Imperium in letzter Zeit viel mehr die Rolle des Aggressors übernommen, was - rein moralisch - dessen Aktionen jede rechtliche Grundlage, abgesehen von der eigenen, entzog.

Glücklicherweise aber gab es Individuen, die sich immer noch glauben machen ließen, das Imperium stünde als Synonym für eine Ordnung des Universums, zu der die Republik nicht fähig sei. Rekruten, Zivilisten, Politiker ließen sich überzeugen, für eine Sache einzutreten, die man ihnen als notwendig anpries. Dabei hatte die imperiale Ordnung offensichtlich keinen anderen Zweck, als egoistische Menschen ans Ziel ihrer Machtwünsche zu bringen.

Theoretisch gab es für imperiale Soldaten also zwei Möglichkeiten: Die Verblendung, am Glauben an heroische Schlachten zum Wohle des Zusammenlebens festzuhalten und die Desillusionierung beziehungsweise Realisierung der moralischen Verwerflichkeit eines Machtkrieges. Letzterer Fall würde dann eine weitere Entscheidungsmöglichkeit bieten, und zwar die, ob man sich aufgrund der fatalen Erkenntnis erschießen lassen oder die gegebenen Möglichkeiten nutzen wollte.

Anjira hatte diese Entscheidung schon vor ihrem Eintritt getroffen. Das Ideal von Ordnung und imperialer Gerechtigkeit war niemals zu ihr durchgedrungen. Sie hatte vielmehr die Redner bewundert, die es schafften, mit flammenden Worten von der Kanzel herab Menschen für Lügen zu begeistern. Wem auch immer man weis machen könnte, ein hoch dekorierter Admiral würde, ohne mit der Wimper zu zucken, ohne das geringste bisschen Reue, Tausende von Leben auf einmal auslöschen, nur um der Ordnung, der Notwendigkeit wegen ...

Sie ließ den Gedankengang abschweifen. Im Endeffekt war es unwichtig, warum jemand tötete, die Tatsache, DASS er es tat, war viel wichtiger. Von dieser These ausgehend war es dann auch gleich, ob Imperialer oder Republikaner, was wiederum zu einer Aufhebung der Moralfrage führte, mag die Republik auch noch so sehr darauf beharren, Gründe zu haben. Gründe hatten sie immerhin alle. Welche das waren, war wohl jedem selbst überlassen.

Ob nun der Traum, das Universum aus den Ketten der Sklaverei zu befreien, oder das Streben nach Einfluss wichtiger sei, war ebenfalls ausschließlich eine Frage des individuellen Empfindens. Überhaupt, sann sie, war doch Moral ein weit dehnbarer Begriff.

`Moral, mein Herz, ist Ansichtssache. Wie man sie dreht und wendet - sie sieht immer anders aus.´

Kurz schloss sie die Augen. Es waren immer solche Situationen, in denen ihr Kopf ihn von allein zitierte. Er war der größte Verlust, den sie hatte in Kauf nehmen müssen. Und trotzdem hatte er ihr am meisten mit auf den Weg gegeben. Sie schalt sich - er war kein Verlust. Regelmäßig wurden Holomessages hin- und hergeschickt, und sie hatten sich beide vorgenommen, einander wiederzusehen. Genaugenommen kam er gar nicht darum herum, es sei denn, die Kosten für die teuren Netznachrichten sollten umsonst gewesen sein. Seit der Trennung auf Nar Shaddaa war ihr nur zu deutlich geworden, wie sehr er ihr fehlte.
La letizia si convertia / In amarissimo pianto <br>Io sono in pace / Cor meum <br>Io sono in pace / Vide cor meum <br>

Gast

Beitrag von Gast » Montag 15. November 2004, 22:49

Sehr gut geschrieben :) hoffe wir erfahren bald mehr über deinen Char.

Gast

Beitrag von Gast » Donnerstag 18. November 2004, 21:17

Schöner Monolog, bzw. Gedankengang, er liefert gute Einsicht in deinen Char.
Zu vermuten, oder zu träumen, wer der Unbekannte ist, wage ich lieber nicht ;) .

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Darrek
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Beitrag von Darrek » Donnerstag 18. November 2004, 22:47

*applaudier* Beeindruckend!
Cynos Darrek, Colonel
Adjutant von Lieutenant General Litton Noid
Char Theme: Linkin Park - In the End "Blue Lions Hymn" Tot oder Freiheit!
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